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Politik

Scholz und Johnson sagen Ukraine weitere Waffen zu

8. April 2022

Vier Monate hat sich der deutsche Kanzler Zeit gelassen für seinen Antrittsbesuch in Großbritannien. Vor dem 24. Februar wäre der Termin mit Sicherheit anders verlaufen. Jetzt bestimmte Russlands Krieg das Treffen.

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Kanzler Scholz reist nach Großbritannien
Gemeinsam vor der Presse: Bundeskanzler Olaf Scholz (l.) und Premier Boris JohnsonBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Bundeskanzler Olaf Scholz und der britische Premierminister Boris Johnson haben sich bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in London demonstrativ einig gezeigt und der Ukraine weitere Waffenlieferungen zugesagt. Die NATO-Staaten seien sich einig, nicht Kriegspartei zu werden, aber man helfe der Ukraine, sich selbst zu verteidigen, sagte Johnson nach einem Gespräch der beiden Regierungschefs. Großbritannien werde alles liefern, was einen defensiven Charakter habe. Er nannte etwa Flugabwehrraketen. Auch Scholz sagte, dass Deutschland der Ukraine "kontinuierlich" Waffen liefern werde, um den Abwehrkampf gegen die russische Invasion zu stärken.

Ukraine fordert dringend weitere Waffen

Kanzler Scholz reagierte zurückhaltend auf die ukrainische Forderung, Schützenpanzer vom Typ "Marder" aus deutschen Beständen an Kiew abzugeben. "Es ist so, dass wir uns bemühen, die Waffen zu liefern, die hilfreich sind und gut eingesetzt werden können. Das haben wir in der Vergangenheit gemacht, das werden wir auch weiter tun", sagte Scholz. Das seien vor allem Panzerabwehr- und Luftabwehrwaffen und Munition gewesen. "Und die Erfolge, die die ukrainische Armee erzielt hat, zeigen ja, dass das besonders effektvolle Waffen sind, die wir geliefert haben." Er sei sich aber mit Johnson einig, dass man immer schauen müsse, "was kann wirksam eingesetzt werden. Die Fragen lassen sich nur sehr fachlich beantworten."

Scholz: Sanktionen "hochwirksam"

Die westlichen Sanktionen gegen Russland wegen des Angriffskriegs in der Ukraine hält der Bundeskanzler für "hochwirksam". Mit dem Einfrieren von Vermögenswerten werde auch die Moskauer "Machtclique" getroffen, sagte Scholz. Er erneuerte die Forderung an Russland nach humanitären Korridoren in der Ukraine, damit Menschen umkämpfte Gebiete verlassen können. Mit Blick auf den jüngsten Raketenangriff auf den Bahnhof von Kramatorsk in der Ostukraine sagte Scholz, die Tötung von Zivilisten sei ein Kriegsverbrechen. "Die Verantwortung trägt der russische Präsident." Er appellierte an Wladimir Putin, einen Waffenstillstand auszurufen. "Der Krieg muss aufhören, und zwar sofort."

Deutschland setzt auf dauerhafte Abkehr von russischen Rohstoffen

Mit Blick auf die umstrittenen deutschen Energieimporte aus Russland verteidigte Scholz die deutsche Position, nicht sofort auf alle Gaslieferungen aus Russland zu verzichten. Man arbeite hart daran, diese Abhängigkeit von Moskau zu beenden. Scholz kündigte zudem an, dass Deutschland auch nach einem Ende des Krieges sich weiter von russischen Energieimporten lösen werde. Russlands Präsident Wladimir Putin habe sich mit seinem Angriff auf das Nachbarland völlig verrechnet, sagte Scholz nach dem Treffen mit Johnson in London. Er warf Putin vor, er habe die Zukunft seines Landes durch den Angriffskrieg aufs Spiel gesetzt. Die westlichen Sanktionen würden "dramatische Kosten" für Russland haben. Deutschland werde wohl noch in diesem Jahr die Ölimporte aus Russland ersetzen können, sagte Scholz. Bei Gas sei dies noch nicht möglich.

Johnson nahm Deutschland gegen den Vorwurf in Schutz, es tue nicht genug, um sich von der Abhängigkeit von russischen Energielieferungen zu lösen. Er verwies auf das Ziel der Bundesregierung, Mitte 2024 kein russisches Gas mehr zu importieren.

Post-Brexit-Prozess und Nordirland-Protokoll derzeit eher Randthemen

Großbritanniens Premier Johnson sieht trotz der engen Zusammenarbeit mit Deutschland und anderen europäischen Partnern in der Ukraine-Krise den Brexit-Streit um die Regelungen für Nordirland nicht für beendet. "Es gibt da ein Problem", formulierte Johnson. Ansonsten sei man sich aber bei so gut wie jeder Frage einig, fügte er hinzu. Großbritannien droht seit Monaten damit, die Notfallklausel Artikel 16 im sogenannten Nordirland-Protokoll auszulösen. Johnson betonte jetzt ausdrücklich, diese Option sei nicht vom Tisch.

Das Protokoll ist Teil des von London und Brüssel unterzeichneten Brexit-Vertrags. Es soll sicherstellen, dass die Grenze zwischen der zur EU gehörenden Republik Irland und Nordirland, das Teil des Vereinigten Königreichs ist, offenbleibt. Damit ist aber eine Zollgrenze zwischen Nordirland und Großbritannien entstanden, die teilweise für Probleme im innerbritischen Handel sorgt. London will das Protokoll von Grund auf neu verhandeln. Brüssel lehnt das bislang jedoch ab und pocht auf die Umsetzung der Vereinbarungen.

Großbritannien ist für Scholz der sechste Antrittsbesuch in einem Land außerhalb der Europäischen Union seit seiner Vereidigung vor vier Monaten. Zuvor war er in den USA, der Ukraine, Russland, Israel und der Türkei.

qu/nob (dpa, rtr, afp)